Die einen tun es aus gesundheitlichen Gründen, die anderen für den Lifestyle – Tatsache ist: Immer mehr Menschen verzichten auf Laktose, Gluten und andere Inhaltsstoffe. «Messer & Gabel» hat bei Fachleuten nachgefragt, was Gastronomen tun können, um ihren Gästen trotzdem unbeschwerten Genuss zu ermöglichen – gerade auch beim Fleisch.
Trendforscherin und Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler sagt es in ihrem Foodreport 2016 – und so mancher Gastronom merkt bei der täglichen Arbeit: Immer mehr Gäste verlangen auch beim Restaurantbesuch nach Gerichten «mit ohne». Die Menüs sollten beispielsweise glutenfrei sein oder ohne Laktose. Wie schafft man es als Gastronom, diesen Bedürfnissen gerecht zu werden?
Grosse Herausforderung für die Gastronomie
Beim wachsenden Bedürfnis nach individueller Ernährung geht es aber nicht nur um Lifestyle. Auch Allergien und Lebensmittel-Unverträglichkeiten stellen viele Gastronomen vor grosse Herausforderungen. Umgekehrt haben es auch die Gäste, die darunter leiden, nicht leicht. Oftmals genügen schon kleinste Mengen eines Produkts (z.B. Nüsse, Früchte oder Gluten), um bei einem Betroffenen eine allergische Reaktion auszulösen. Anders sieht es bei den weit verbreiteten Nahrungsmittel-Intoleranzen aus. Liegt eine Intoleranz oder Unverträglichkeit vor, hat der Körper die Fähigkeit verloren, einen bestimmten Stoff zu verdauen. Dies löst zwar keine allergischen Reaktionen aus – führt aber zu Verdauungsproblemen oder anderen unangenehmen Symptomen.
Reto Spillmann, Küchenchef des Berner Salem-Spitals, ist täglich mit den unterschiedlichsten Patientenbedürfnissen konfrontiert. Der Diätkoch betont: «Wichtig ist, dass man weiss, welche Produkte problematisch sind – und wie man diese ersetzen kann.» Das gilt natürlich auch für die Zubereitung von Fleischgerichten.
Das Problem: Wer an einer Laktoseintoleranz leidet, produziert das Verdauungsenzym Laktase nicht oder nur in ungenügender Menge. Dieses brauchen wir aber, um den Milchzucker (Laktose) zu spalten. Betroffene verzichten auf Milch, Joghurt, Butter, Käse – aber auch auf Backwaren, Süssigkeiten, Kartoffelpüree und vieles mehr. Viel seltener als die Laktoseintoleranz ist die Kuhmilchallergie, bei der der Körper auf die Proteine in der Milch reagiert. Sie tritt fast nur bei Kindern auf.
Die Lösung: Fast alle Milchprodukte gibt es heute auch laktosefrei. Sie unterscheiden sich geschmacklich und in der Verwendung kaum von «normalen» Milchprodukten. Als Kuhmilchersatz eignen sich auch Soja- oder Mandelmilch. Letztere lässt sich ganz einfach selber machen: geschälte Mandeln für einige Stunden im Wasser einweichen, mit etwas Wasser im Mixer zerkleinern und durch ein Tuch filtern. Auch dem Käsegenuss steht nichts im Wege: Extrahartkäse wie Sbrinz und Hartkäse wie Le Gruyère enthalten wegen des langen Reifeprozesses keine Laktose mehr. Auch Halbhartkäse wie Tilsiter vertragen die meisten Betroffenen gut.
Das Problem: Menschen mit Zöliakie leiden unter einer dauerhaften Überempfindlichkeit gegenüber dem in fast allen heimischen Getreidesorten enthaltenen Gluten («Klebereiweiss»). Gluten ist unter anderem in Weizen, Roggen, Gerste und Hafer enthalten. Wer sich glutenfrei ernährt, meidet die erwähnten Getreidesorten und alle daraus hergestellten Produkte wie Brot, Teigwaren, Flocken, Paniertes, Mehlsaucen etc.
Die Lösung: Es gibt Getreidesorten, Gräser oder ähnliche Lebensmittel, die sich als Ersatz für Weizen, Roggen und Gerste eignen – zum Beispiel Mais, Reis, Wildreis, Quinoa oder Buchweizen. Kastanien und Kartoffeln werden ebenfalls als Ersatz für Getreide genutzt. Auch wenn es sich dabei nicht um getreideähnliche Lebensmittel handelt, lässt sich daraus Mehl herstellen.
Das Problem: Hühnereiweiss ist bei Kindern eine der häufigsten Ursachen einer Nahrungsmittelallergie. Für Allergiker besonders problematisch ist die Tatsache, dass das Hühnereiweiss aufgrund seiner küchentechnisch guten Eigenschaften in sehr vielen Speisen und auch Getränken vorkommt.
Die Lösung: In der Gastronomie wird häufig das Ersatzprodukt «Statt-Ei» verwendet. Wer einen Kuchen bäckt, kann als Ei-Ersatz auch einfach eine halbe Banane zerdrücken und in den Teig rühren. Gemahlene Leinsamen mit Wasser eignen sich gut für Vollkorngebäck; zur Zubereitung eines Vegi-Burgers kann Tomatenmark als natürliches Bindemittel verwendet werden. Weitere Ei-Alternativen sind Sojamehl, Apfelmus, Seidentofu oder Chia-Samen.
Ungetrübter Fleischgenuss
Diätkoch Reto Spillmann geht davon aus, dass die Nachfrage nach laktose- und glutenfreien Produkten in der Gastronomie weiter zunehmen wird. «Auch in der Fleischküche hat das Thema eine grosse Bedeutung.» Ein Problem sei das nicht, so der Experte. «Kreative Köche müssen auch in Zukunft auf nichts verzichten.» So lassen sich mit den richtigen Alternativen heute problemlos glutenfreie Cordon bleus und noch viele weitere feine und verträgliche Fleischgerichte herstellen.
Fürs Anbraten
Reto Spillmann brät sein Fleisch immer mit Schweizer HOLL-Rapsöl an. Es eignet sich nicht nur gut zum Anbraten und Frittieren – es ist im Gegensatz zu Bratbutter auch laktosefrei. Auch tierische Fette wie eingekochtes Rindsnierfett werden gerne zum Anbraten verwendet. Viele Spitzenköche schwören zudem auf FÄT – hocherhitzbare und geschmacksneutrale Kakaobutter aus der Streudose.
Fürs Panieren
Für Chicken Nuggets, Cordon bleu oder Schnitzel verwendet Reto Spillmann hefefreies Mais-Paniermehl und laktosefreien Greyerzer-Käse. Zum Panieren eignen sich auch glutenfreie Semmelbrösel oder glutenfreie Cornflakes. Und auch aus Maismehl, Sesam oder Kokosraspel entstehen knusprige Panaden.
Es geht auch um die Wurst!
Was man oftmals vielleicht vergisst: Auch viele Brat- und Brühwürste enthalten Laktose. Weil sein Sohn von einer solchen Intoleranz betroffen ist, hat Metzgermeister Patric Jenny von der Fleisch und Brau AG aus dem Kanton Freiburg nach längerem Tüfteln eine Grillbratwurst hergestellt, die ganz auf Allergene verzichtet: Laktose sucht man in Jennys Wurstwaren somit genauso vergebens wie den Geschmacksverstärker Natrium-Glutamat (E621). Nebst den Würsten gibt es bei Jenny auch gluten- und laktosefreie Cordon bleus und andere Spezialitäten. Für den Metzgermeister ist klar: «Unsere Fleischprodukte sind nicht nur für alle beschwerdefrei geniessbar – sie stehen anderen Produkten auch in Sachen Geschmack, Konsistenz, Farbe und Biss in nichts nach!»
Kreative Gastronomen und Metzger schaffen es mit einigen wenigen Kniffen, auf die Bedürfnisse ihrer Gäste einzugehen. Reto Spillmann hat uns dazu noch ein Rezept für ein laktose- und glutenfreies Cordon bleu zugespielt: